„Es ist schon schwierig, weil das hier so holpert“, meinte die 17-jährige Johanna Hirschbeck, als sie in einem Rollstuhl von ihrer Mitschülerin Sarah Pickl (16) über das Kopfsteinpflaster gefahren wurde. „Und ich wäre wegen der Kante hier wohl nicht alleine hochgekommen“, sagte der 16-jährige Sascha Gisbrecht, der sich ebenfalls in einem Rollstuhl von seinem Mitschüler Toni Radeljak über eine Rampe fahren ließ. Die jungen Menschen von der Fachoberschule (FOS) Eichstätt gehörten zu den ersten, die heute den Aktionsparcours „Barrieren für Menschen mit Behinderung“ auf dem Eichstätter Residenzplatz durchliefen. Zwei Tage lang bieten die Offenen Behindertenarbeiten (OBA) der Caritas-Sozialstation und des Bayerischen Roten Kreuzes Eichstätt und des Caritas-Zentrums St. Vinzenz diesen Parcours verschiedenen Schulen und der Bevölkerung an. Ziel ist es, einen Perspektivwechsel zu ermöglichen.
Kein leichtes Unterfangen ist es, im Rollstuhl über Kopfsteinpflaster zu fahren. Das erfuhren auch diese zwei Schülerinnen beim Parcours auf dem Eichstätter Residenzplatz. Fotos: Caritas/Esser
„Es gibt Nachholbedarf“
„Als Ihr heute Morgen ganz selbstverständlich aufgestanden seid, konnten das tausende Menschen nicht“, sagte Caritasdirektor Franz Mattes in seiner Begrüßungsansprache zu den Schülerinnen und Schülern. Mattes legte ihnen ans Herz, sich mit Hilfe des Parcours ansatzweise in die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu versetzen. Dadurch könnten sie erleben, wie schwierig es sein kann, aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. „Doch vieles wird möglich, wenn man ein Gespür dafür entwickelt“, ermutigte der Direktor. Eichstätts Oberbürgermeister Andreas Steppberger bezeichnete es als richtig, die Aktion im Rahmen des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai durchzuführen. Denn „es gibt Nachholbedarf“. Der Oberbürgermeister gab zu, dass die Lage für diese Menschen in Eichstätt aufgrund seiner gepflasterten historischen Plätze nicht einfach sei. Er teilte mit, der Stadtrat habe es sich zur Aufgabe gemacht, „Wege zu gestalten, die einen Rundgang durch die Stadt leichter machen“.
Doch nicht nur einen Eindruck von Lebenssituationen von Menschen mit körperlicher Behinderung bekommen die Schüler sowie alle interessierten Gäste heute und morgen in Eichstätt sowie am Mittwoch bei einem Parcours in Beilngries. Die blinde Eichstätter Diözesanleiterin des Katholischen Blinden- und Sehbehindertenwerkes Bayern, Angelika Scherupp, demonstriert den jungen Menschen, wie sie sich unter anderem mit einer Schreibmaschine mit Brailleschrift, einem Farberkennungsgerät und einem Blindenstock im Leben zurechtfindet. In einem Sinneszelt erhalten die jungen Menschen anhand von Speisekarten einen Eindruck über die Bedeutung der „Leichten Sprache“ für Betroffene – einer speziell geregelten sprachlichen Ausdrucksweise des Deutschen, die auf besonders leichte Verständlichkeit abzielt . Am Stand des Gehörlosenvereins Ingolstadt und Umgebung werden ihnen zum Beispiel das Fingeralphabet und die Gebärdensprache nahegebracht. Auch der Bayerische Landesverband für die Wohlfahrt Gehörgeschädigter informiert über seine Arbeit in einem Aktionszelt.
Von Aktion Mensch gefördert
Unterstützt wird der Aktionsparcours organisatorisch von der Stadt Eichstätt sowie materiell von der Baufirma Martin Meier und der Organisation Aktion Mensch. Die Firma Meier stattete einige Parcours mit Füllmaterialien aus: An einem können Interessierte versuchen, sich in einem Rollstuhl durch Mulch, Gras, Kies, Holz und Sand fortzubewegen. Die Aktion Mensch förderte Verpflegung und verschiedenste Materialien – von Verlosungsgutscheinen bis zu Faltpavillons – mit über 1.350 Euro.
Die blinde Eichstätter Diözesanleiterin des Katholischen Blinden- und Sehbehindertenwerkes Bayern, Angelika Scherupp (rechts), demonstriert jungen Menschen verschiedene Hilfsmittel, mit denen sie sich im Alltag zurechtfindet.